Fatih Cinar - Der Tausendsassa aus Neuss
An diesem Samstag, den 09. Dezember 2023, trifft der ASV Mainz 88 auf das starke Team des KSK Neuss, die sich bereits ebenfalls für die Playoffs der Ringer-Bundesliga qualifiziert haben. Der Aufsteiger wirbelt die West-Staffel mit starkem Nachwuchs auf, die sich in kurzer Zeit zu Leistungsträgern in der Bundesliga etabliert haben. Doch wenn man an Neuss denkt, kommt man um einen Mann nicht herum:
Ob als Sportlicher Leiter, Trainer, Ringer oder neuerdings als 2. Vorsitzender – Fatih Cinar ist irgendwie überall in Neuss. Er brennt wie kaum ein anderer für den Ringsport und im speziellen für seinen KSK Neuss. Er ist einfach immer dort, wo man ihn braucht und ist sich nicht zu schade, auch als Ringer in der Bundesliga anzutreten, wenn Not am Mann ist. Das zeichnet den 40Jährigen Neusser aus, der scheinbar alles für seinen Verein tut. Woher er die Begeisterung und die Energie für seinen Verein und Ringsport mitbringt erzählt er uns im Exklusiv Interview:
Herr Cinar, herzlichen Glückwunsch zur sicheren Playoffteilnahme. Wenn man sich die Tabelle anschaut, kann man kaum glauben, dass Zweifel daran bestanden.
Nach dem Aufstieg war unser primäres Ziel der Klassenerhalt. Das war nicht einfach aber wir haben das geschafft. Die Playoffteilnahme ist die Kür, auf die wir uns nun freuen.
Wie sehen Sie die Chancen Ihres Teams in den Playoffs?
Im Gegensatz zu den meisten Top-Teams haben wir einen sehr schlanken Kader und werden sicherlich als Außenseiter in die Kämpfe gehen. Aber wir haben ein starkes Team und sollten in der Lage sein, gegen jeden Gegner zu gewinnen. Allerdings muss dann gegen die Top-Teams alles optimal laufen. Jetzt warten wir zunächst einmal die Playoff-Auslosung ab und dann werden wir versuchen die richtige Aufstellung für unseren Gegner zu finden. Unser Vorteil ist, dass wir ohne Druck auf die Matte gehen. Die Playoff-Teilnahme ist für uns bereits ein riesiger Erfolg.
Ihr Team hat eine hervorragende Jugendarbeit und viele Ihrer Eigengewächse sind aktuell Leistungsträger in der 1. Liga. Wenn Sie das Team zusammenhalten, gehört Neuss die Zukunft. Setzt diese Erwartungshaltung den KSK Neuss unter Druck?
Ja das stimmt. Wir haben nach dem Bundesliga-Rückzug im vergangenen Jahr alle Energie in die Jugend gesetzt und unser Trainer Oleg Dubov hat mit seinen Jungs unglaubliche Erfolge erreicht. Wir wurden mehrfach Deutscher Mannschaftsmeister bei den Schülern und der Jugend und konnten viele Einzeltitel in den verschiedenen Altersklassen gewinnen. Die meisten dieser Sportler stehen jetzt in unserem Bundesliga-Team und sind zu Leistungsträgern geworden. Wir schauen aber von Jahr zu Jahr. In diesem Jahr war der Klassenerhalt das Ziel und nun stehen wir sogar in den Playoffs. Wir genießen die positive Aufmerksamkeit und merken natürlich auch den Blick anderer Mannschaften und Trainern auf unser Team. Die Entwicklung bei uns macht einfach Spaß und wir hoffen, dass unsere Jungs auch für den Deutschen Ringerbund noch viele Medaillen holen werden. Druck verspüren wir nicht. Wir müssen niemandem etwas beweisen.
Sehen Sie irgendwelche Parallelen Ihres Vereins mit dem ASV Mainz 88?
Nun, der ASV Mainz 88 hat ebenfalls einige Ringer aus der eigenen Jugend in das Bundesligateam integriert und sind genauso wie wir an einer langfristigen Zusammenarbeit mit ihren Sportlern interessiert. Die Vereinsidentifikation der Sportler ist ihnen genauso wichtig wie auch uns.
Welche Ringer aus dem aktuellen Kader der Mainzer würden Sie gerne in Ihrem Team sehen?
Kristupas Sleiva würde ich gerne in unserem Team haben. Ein toller Athlet, der sehr technisch kämpft und super zu uns passen würde.
Wer ist Ihr Meisterschaftsfavorit in dieser Saison?
Ich glaube Burghausen holt sich den Titel in diesem Jahr zurück.
Sie persönlich sind stets mit vollem Engagement für den KSK Neuss im Einsatz und vielfältig im Verein aktiv. Zum Beispiel als Sportlicher Leiter, Trainer, 2. Vorsitzender, Öffentlichkeitsarbeiter und wenn es sein muss auch als aktiver Ringer in der 1. Bundesliga. Was genau machen Sie wirklich im Verein und was haben Sie bisher noch nicht gemacht?
Das haben Sie richtig erkannt. Ich bin ein Allrounder und versuche jede Lücke im Verein zu schließen, die ich kann. Aber alleine schafft man das nicht. Daher sind wir in den letzten Jahren gewachsen und konnten das Team hinter dem Team erweitern. Die Belastung auf einzelne Schultern wäre gesundheitlich fatal und würde auch auf Dauer kein Spaß machen. Wir sind neu in der Bundesliga und lernen noch dazu und schauen uns natürlich auch bei anderen Vereinen um, was gut läuft und versuchen das dann auch bei uns umzusetzen. Wie gesagt, ich bin nicht alleine in Neuss. Die Verantwortung wurde auf mehrere Säulen verteilt, wie z.B. auf den 1. Vorsitzenden Ismet Cetin, die Verwaltungsarbeit auf Ali Serdar Gültekin, auf Finanzvorstand Sieghard Heyers und Yvonne Löffler. Mit diesem Team und noch vielen anderen herrscht weiterhin eine große Aufbruchstimmung in Neuss und ich bringe mich weiterhin überall ein wo ich gebraucht werde. Ich bin einfach nur glücklich, wenn ich sehe wie sich alles entwickelt und wir sind erst am Anfang.
Wie kamen Sie zum Ringsport und in die aktuelle Verantwortung in ihrem Verein?
Für den Ringsport begeisterte mich der damalige Hausmeister unserer Grundschule, Herr Rudi Pech. Er war Ringertrainer und leitete eine Schul-Ag an der ich als kleines Kind teilnahm. Mit meiner ersten Medaille um den Hals war es dann um mich geschehen. Bald werde ich 40 Jahre alt und bin damit seit 35 Jahren Mitglied beim KSK Neuss. Zur Verantwortung im Verein kam ich insofern, dass man mich nicht einfach ins kalte Wasser schmiss, sondern eher ins Eis legte und ich versuchte irgendwie überlebend rauszukommen. Im Verein kannte man meine Begeisterung und Zuverlässigkeit und übertrug mir ohne Vorkenntnisse das Amt des Sportlichen Leiters. Aber ich bekam Hilfe von erfahreneren Vereinsgranden und es gelang mir mich vom Eis zu befreien und mich zu entwickeln. Der Rest ist Geschichte. Mit unserer Landesligateam stiegen wir in die Oberliga auf und mit unserer ersten Mannschaft 2020 sogar in die 1. Bundesliga. Doch durch die unsägliche Pandemie wurde die Bundesliga schon nach 2 Kampftagen abgesagt. 2021 stiegen wir wieder in die zweite Liga ab und es gab einen regelrechten Run anderer Bundesligisten auf unseren deutschen Nachwuchs. Glücklicherweise konnten wir sie überzeugen mit uns den Weg weiterzugehen und in Neuss zu bleiben. Um Ihnen eine Perspektive zu bieten haben wir alles daran gesetzt aufzusteigen was uns als Meister in der 2. Liga auch eindrucksvoll gelungen ist. Und nun sind wir sogar in den Playoffs um die Mannschaftsmeisterschaft unter den 8 besten Teams Deutschlands. Wir sind wahnsinnig stolz auf das bisher Geleistete.
Welche Ziele haben Sie noch mit dem KSK Neuss?
Wir wollen, dass der Traum von Hermann Joseph Kahlenberg* wahr wird und wir ein Neusser Eigengewächs auf der Matte bei Olympischen Spielen sehen und sehr gerne auch eine Medaille feiern. Dann gibt es eine riesige Party in unserem Trainingszentrum und Oleg wird bestimmt PLOV (Usbekisches Reisgericht) für alle machen. In der Bundesliga wollen wir uns Jahr für Jahr einen Platz in der oberen Tabellenhälfte sichern und dann sehen wir mal, was noch geht.
Wie geht der Kampf KSK Neuss gegen den ASV Mainz 88 aus?
Wir hoffen auf einen spannenden Abend bis zum letzten Kampf und einen hoffentlich knappen Sieg für uns.
*Hermann-Josef Kahlenberg war das Gesicht des KSK Neuss. 37 Jahre war er Vorsitzender des Vereins und ab 2013 Ehrenvorsitzender. Für sein Engagement wurde er vielfach ausgezeichnet und erhielt sogar das Bundesverdienstkreuz sowie andere ehrenvolle Auszeichnungen. Hermann-Josef Kahlenberg verstarb im Oktober 2023.
Interview geführt von Karani Kutlu