Wer ist Mateusz Wolny?
Wer ist Mateusz Wolny?
Er war in der Hölle, zumindest fühlte es sich für ihn so an. Im Halbfinalrückkampf gegen Schorndorf lag er 3 Minuten vor Ende seines Kampfes mit 0:3 gegen den amtierenden Deutschen Meister Karan Mosebach zurück. Der ASV Schorndorf führte mit 14:4 gegen die Mainzer und seine Niederlage hätte die Finalträume der 88er zerstört. Doch Wolny dachte keine Sekunde ans Verlieren. Er marschierte und bewegte Mosebach unentwegt auf der Matte, doch der deutsche Nationalringer ließ sich keine Wertung abjagen. Die Dramatik in der Kampfarena der Spartaner potenzierte sich, doch trotz der überwältigenden Überlegenheit des Mainzers, zeigte Kampfrichter Andre Schedler keine Passivität für den Schorndorfer an.
Kurz bevor die letzte Kampfminute anbrach schritt jedoch Mattenpräsident Jeffrey Spiegel ein und stellte den Schorndorfer passiv. Wolny erhielt einen Punkt und verkürzte auf 1:3 und bekam die Chance, Mosebach am Boden zu drehen. Zunächst wehrte sich der Spartaner erfolgreich gegen den Mainzer, doch dann gelang ihm mit einem letzten Kraftakt der Dreher zum Ausgleich zum 3:3 und damit auch der Sieg. Erst sein Erfolg ermöglichte die darauffolgende Aufholjagd der Mainzer, die schließlich zum Finaleinzug führte.
Mateusz Wolny fällt auf. Das mag an seinen über 40 Tätowierungen liegen, doch wer sich mit ihm unterhält, merkt sofort, dieser Mann ist etwas Besonderes.
Leo, wie er von allen gerufen wird, ist kein leiser Mensch und das will er auch nicht sein. Er ist extrovertiert, steht gerne im Mittelpunkt. Dennoch lässt er Raum für andere und lässt sie neben sich erfolgreich sein. Er ist unkonventionell und spontan. Jederzeit für eine Challenge zu haben, egal von wem sie kommt. Manche halten ihn für verrückt. Mateusz sagt über sich selbst: „Ich bin verrückt“. Normal zu sein ist für ihn nicht normal.
In der Mannschaft ist der Pole, der auch einen deutschen Pass besitzt, sehr beliebt. Man könnte fast meinen, er ist der soziale Klebstoff im Team der Mainzer. Er motiviert und unterstützt seine Kameraden, wo er kann. Vor allem während der Playoffs, hat er seine Mannschaft in der Kabine und in den sozialen Medien zum Erfolg gepusht. In seiner ersten Saison im Team führe er sie so ins Finale. Was erwartet uns diese Saison mit ihm?
Im Interview wollen wir mehr über ihn erfahren, wer er ist, wie er zum Ringsport kam und wer sein berühmter Vater ist.
Hallo Leo, in welchem Alter hast du mit dem Ringsport angefangen?
Ich war 4 Jahre alt, als ich zum ersten Mal auf die Matte ging. Aber richtig angefangen habe ich erst mit 10 Jahren.
Wie kam es überhaupt dazu, dass du Ringer werden wolltest?
Mein Vater war ein professioneller Ringer und er nahm mich immer mit, wenn er in die Ringerhalle gefahren ist. Ich war auch mit dabei, wenn er auf Turniere gefahren ist. Zudem ist mein Wohnort ziemlich klein und der Ringsport sehr populär. So kam ich zwangsläufig zu diesem Sport.
Dein Vater ist Ryszard Wolny, Olympiasieger 1996 im griechisch-römischen Stil, Europameister und mehrfacher Medaillengewinner auf Weltmeisterschaften. Wie ist dein Verhältnis zu ihm?
Er war mein Idol und Held. Ich wollte immer so wie er sein und habe zu ihm aufgeschaut. Er ist mein bester Freund, Coach, Mentor und mein Zuhörer. Egal mit welchem Problem, ich kann immer zu ihm gehen. Er hat mich immer gefördert und an mich geglaubt.
Hast du als Ringer aufgrund seines Erfolgs je Druck verspürt?
Zu Beginn war das so, aber das hat sich gelegt. Es gibt nicht viele Olympiasieger. Das wiederholt man nicht so einfach.
Wie kamst du zum ASV Mainz 88?
David Bichinashvili und Markus Klingler haben mich kontaktiert und wollten mich nach Mainz holen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch mehrere Angebote von anderen Vereinen vorliegen. Ich habe mich bei einigen Ringern über den ASV erkundigt und sie alle haben nur positive Rückmeldungen gegeben und mich bestärkt das Angebot anzunehmen. Doch meine wichtigste Frage war: Kann Mainz Deutscher Mannschaftsmeister werden und die Antwort war immer ein klares Ja. Deshalb bin ich hierher gewechselt.
Siehst du Unterschiede zu den anderen Vereinen, bei denen du bisher gerungen hast?
Mainz ist unglaublich professionell in allen Belangen. Die Vorstandschaft, das Trainer- und Betreuungsteam und die medizinische Abteilung sind sehr gut aufgestellt. Dennoch ist alles sehr familiär und ich fühle mich hier sehr wohl. Viele Ringer in Mainz sind zu meinen Freunden geworden. Um es klar auszudrücken: Jeder in diesem Team glaubt an die Stärke der Mannschaft. Es ist nicht hochgegriffen, wenn ich uns als Brüder bezeichne. Jeder gibt alles für den Erfolg. Wie sagt man in Deutschland? Einer für Alle, Alle für Einen!
Schön, dass du deutsche Sprichwörter kennst. Wo wir schon dabei sind, hast du nicht auch einen deutschen Pass?
Ja, meine beiden Großväter sind Deutsche. Mein Wohnort Racibórz war früher eine deutsche Stadt und daher leben noch viele Deutschstämmige dort. So bin ich Halbpole- und Halbdeutscher.
Welche Unterschiede siehst du zwischen den beiden Ländern?
Polen sind viel traditioneller und religiöser als Deutsche. Der Lebensstandard in Deutschland ist natürlich viel besser. Für mich ist Deutschland das führende Land in Europa.
Kannst du als Ringer von deinem Sportlergehalt leben?
Nein, Ich bin hauptberuflich Soldat und Trainer in meinem Heimatverein, welches auch eines der besten polnischen Olympiastützpunkte überhaupt ist. Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt.
Fußballer müssen neben ihrem Sport nicht noch zusätzlich arbeiten gehen. Findest du es ungerecht, dass Ringen nicht so populär ist?
Ja, das ist schon so. Fußball ist ein Teamsport und da kannst du einen schlechten Tag haben und trotzdem das Spiel gewinnen. Im Ringsport stehst du allein auf der Matte, du darfst dir keine Schwächen erlauben, sonst verlierst du. Die Gehälter, die im Fußball gezahlt werden, sind verrückt und verglichen mit uns absolut nicht nachvollziehbar.
Für was gibst du dein Geld aus und was ist Luxus für dich?
Oh Mann, ich gebe wirklich sehr viel Geld für Klamotten aus. Am liebsten bei Zara, das ist meine Lieblingsmarke. Und natürlich für Reisen, Partys und allem was Spaß macht.
Was war das Unnötigste, was du dir je gekauft hast?
Ich habe ganz oft unsinnige Sachen gekauft, die in dem jeweiligen Moment sehr sinnvoll erschienen.
Du bist in der Mannschaft und in der Ringerszene sehr beliebt, doch die meisten halten dich für einen absolut verrückten Kerl. Wie passt das zusammen?
Das passt schon. Ich komme mit jedem gut klar und wer mit mir mal Unterwegs war weiß, dass ich ziemlich verrückt sein kann. Da gibt es diese Geschichte, wo mich ein Fan fragte, ob ich nicht spontan Lust hätte mit ihm nach Barcelona zu fliegen. Am nächsten Tag saß ich im Flugzeug neben ihm und es war eine tolle Erfahrung.
Was war das Verrückteste was du je gemacht hast?
Da gibt es eine ganz verrückte Geschichte, die mir in Las Vegas passiert ist. Da sind wir nach den Kämpfen auf der Weltmeisterschaft auf eine verrückte Party gegangen. Da waren Sportler aller Nationen eingeladen, da gab es so einen schönen großen Swimmingpool und… Aber gut du weißt: „What happened in Vegas stays in Vegas“.
Und was würdest du am liebsten rückgängig machen?
Gar nichts. Ich bin sehr glücklich mit meinem Leben. Ich habe eine tolle Freundin, einen guten Job, ich bin einfach glücklich.
Gibt es in deinem Leben noch irgendwas Besonderes was du noch unbedingt machen willst?
Ich will reisen. Um die Welt. Nach Australien, Neuseeland oder Fidschi. Es gibt noch so viele Orte, die ich noch entdecken will.
Dein Körper ist voller Tattoos. Haben sie alle eine Bedeutung für dich und kommen noch weitere hinzu?
Ich habe insgesamt 45 Tattoos und nur etwa 20% haben eine Bedeutung für mich. Der Name meines Vaters, der meiner Freundin und religiöse Tattoos, da mir mein Glaube sehr wichtig ist. Der Rest sind Tätowierungen, die mir einfach gefallen. Verrückte und lustige Abbildungen. Ich finde meinen Körper mit den Tattoos einfach schöner und ich kenne keinen anderen Ringer, der nur annähernd so viele Tattoos hat wie ich. Es werden noch 20-25 weitere hinzukommen.
Warum trägst du bei den Kämpfen immer farblich unterschiedliche Socken?
Ich trage immer farblich unterschiedliche Socken. Ich werde oft danach gefragt, auch in der Mannschaft. Ich bin so. Das ist mein Style – Der Leo Style.
Du willst immer gewinnen, was empfindest du bei deinen Siegen oder auch Niederlagen?
Wenn ich gewinne, bin ich sehr glücklich, da ich nicht nur für mich auf die Matte gehe. Mein Sieg gehört auch dem Team, den Fans, dem Verein. Wenn ich verliere bin ich untröstlich, dann will ich am liebsten sofort ins Training, damit ich mich verbessere und das nächste Mal wieder erfolgreich bin.
Während der Playoffs hast du oft witzige Videos gemacht, indem du Kampfansagen an unsere Gegner über Instagram geteilt oder auch deine Teamkameraden gepusht hast. Wie kam es dazu?
Nun, ich bin ein wettbewerbstyp und liebe das offene Visier. Solange alles respektvoll geschieht, kann man sich auch öffentlich batteln. Das habe ich gerne getan. Ich habe vor jedem Kampf auch meine Teamkameraden angeschrieben, sie motiviert und versucht sie positiv zu bestärken.
Du verbringst gerne deine Zeit auf Instagram, ist das heute ein Muss für einen Sportler, der sich mitteilen will?
Ein Muss ist das nicht, aber ich bin medial sehr aktiv. Ich verbringe gerne meine Zeit auf Instagram oder Facebook. Es sind gute Möglichkeiten, um mich mit anderen auszutauschen oder mich mitzuteilen. Vor unseren Kämpfen versuche ich auch unsere Fans und mein Team mit Videos zu motivieren. Ich freue mich auch sehr über das Feedback unserer Anhänger.
Und wie verbringst du deine Zeit noch, wenn du nicht ringst oder gerade auf Instagram bist?
Ich gehe gerne feiern, bin auf Partys und tanze gern. Man kann schon sagen, dass ich ein Partyboy bin. Mit Langeweile kann ich gar nichts anfangen, es muss immer was los sein. Ich reise gern in andere Städte oder Länder. Und natürlich verbringe ich viel Zeit mit meiner Freundin Karolina. Sie ist eine tolle Frau. Mit ihr will ich mindestens 3 Kinder. Zwei Jungs und ein Mädchen. Die Namen stehen schon fest (Leon, Leff und Lea). Wir starten das Projekt nächstes Jahr oder vielleicht ein Jahr später. Mal schauen.
Wenn du nicht Ringer geworden wärst, welche Sportart hätte dich noch interessiert?
Ich bin fußballbegeistert und großer Fan des FC Bayern. Ich hatte als Jugendlicher ein großes Poster von Lothar Matthäus, das hätte ich mir auch vorstellen können. Aber als Ringer bin ich deutlich besser.
Die Ringerbundesliga hat nochmal an Qualität zugelegt. In unsere Staffel sind starke Teams wie Köllerbach, Adelhausen und Urloffen dazu gekommen. Was ist für den ASV Mainz 88 in der kommenden Runde möglich?
Welchen Platz hatten wir letztes Jahr nochmal? Vizemeister? Ja, was soll ich sagen, da geht noch mehr. Ich persönlich werde weiter versuchen ein wichtiger Teil der Mannschaft sein und alle unterstützen, damit wir gemeinsam stark sind und gemeinsam Erfolg haben.
Könntest du dir vorstellen, dass Mainz dein letzter Bundesligaverein bleibt?
Auf jeden Fall. Das wünsche ich mir sehr. Ich will in Mainz irgendwann meine Karriere beenden.
Von Karani Kutlu