Wer ist Alexander Semisorow?

Mit zehn gewonnen Goldmedaillen bei Deutschen Meisterschaften (davon 4 im Seniorenbereich) ist Alexander „Sascha“ Semisorow einer der erfolgreichsten nationalen Ringer Deutschlands. International holte er sich 2016 die Bronzemedaille bei den U23 Europameisterschaften und silbernes Edelmetall bei der Militärweltmeisterschaft 2018. Auch im Mannschaftssport war der gebürtige Baden-Württemberger erfolgreich. Zweimal gewann er mit dem ASV Nendingen die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft in der Bundesliga.

Die Mainzer warben lange Jahre um ihn, doch erst 2020 ließ er sich zu einem Wechsel überzeugen. Für den 1. Vorsitzenden Baris Baglan ein Glücksgriff: „Alex ist ein sehr reflektierter und intelligenter junger Mann, der mit seiner ruhigen und erfolgsorientierten Denkweise dem Verein sehr gut tut. Vor allem sein Engagement, sich immer Zeit für die jungen Ringer des Vereins zu nehmen und sie zu fördern imponiert vielen und zeigt schon nach kurzer Zeit, seine Verbundenheit zu uns“.

Doch weil die vergangene Saison pandemiebedingt abgebrochen werden musste, gab er sein Debut erst in diesem Jahr. Fünf Siege hat er in dieser Runde für die 88er geholt, weitere sollen in den Playoffs dazukommen.

Im Interview lernen wir den Soldaten der Sportfördergruppe etwas näher kennen. Er erzählt uns offen und ehrlich was ihn antreibt, wie wichtig ihm seine Familie ist, was er über Niederlagen denkt und wie er die Erfolgsaussichten der Mainzer m Achtelfinale gegen die Grizzly’s aus Nürnberg sieht.

Dein erstes Mal?

Ich bin in Weil am Rhein aufgewachsen und meine Freunde, mit denen ich Fußball gespielt habe, nahmen mich mit zum Ringertraining.

Warum bist du dann beim Ringen geblieben?

Im Ringsport ist man alleine auf sich gestellt. Dir wird so viel abverlangt wie Kondition, Kraft, Beweglichkeit, Technik und Geschick. Und nur du bestimmst am Ende, ob du gewinnst oder verlierst. Es liegt in deiner Hand, wieviel du investieren willst. Im Ringsport gibt es keine Ausreden, warum etwas nicht geklappt, es liegt ausschließlich an dir. Entweder willst du es oder eben nicht. Und das hat mich gleich gefasst. Der Kampf, Mann gegen Mann auf fairste Weise, mit den Anforderungen um zu bestehen, motiviert mich jeden Tag aufs Neueste. Nicht nur um ein besserer Sportler zu sein, sondern insgesamt auch als Mensch. Mich täglich zu verbessern und weiter zu entwickeln, eine bessere Version von mir selbst zu werden, treibt mich an.

Du warst in deiner Karriere sehr häufig verletzt, wie kam es dazu und bist du heute schmerzfrei?

Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Was ich sagen kann ist, als verletzter Sportler fängt man oft viel zu früh mit dem Sport wieder an, so dass man anfälliger für neue Verletzungen ist. Man nimmt sich nicht die Zeit um Heilungsprozesse richtig abzuschließen und belastet sich zu schnell wieder mit voller Intensität. Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass ich mehr auf meinen Körper hören und ihm nach Verletzungen mehr Zeit geben muss um zu heilen. Seitdem geht es mir besser und ich bin schmerzfreier


Kann man als Ringer in Deutschland von seinem Sport leben?

Jein, es kommt darauf an. Als Sportler, der nur von den Einnahmen aus den Kampfeinsätzen lebt ist es schwierig. Eine Verletzung und man bekommt kein Geld mehr. Wenn man aber wie ich eine Berufsförderstelle hat, dann geht es eine gewisse Zeit. Natürlich nur solange du erfolgreich bist.

Du bist Soldat der Sportfördergruppe, wie sieht dein Alltag aus?

Der ist klar geregelt. Ich trainiere täglich morgens und abends. Jeden Tag gibt es Mattentraining und zudem individuelle Einheiten wie Kraft und Ausdauer. Samstag trainiere ich individuell und sonntags habe ich frei.

Als Nationalringer gehst du für Deutschland auf die Matte, was ist das für ein Gefühl für dich?

Am Anfang meiner Karriere hat mich der Adler auf der Brust enorm unter Druck gesetzt und es war fast unmöglich, so etwas wie stolz zu empfinden. Aber das hat sich mit der Zeit geändert. Wir sind eine starke Ringernation und können auch sehr erfolgreich sein. Ich fühle mich gut dabei, unser Land international zu präsentieren und zu zeigen, hey wir sind aus Deutschland und wir können genauso mithalten wie die anderen.

Ist die Olympiateilnahme 2024 ein Ziel für dich?

Das ist ein Ziel, dass ich fest im Blick habe und auch erreichen werde

Wenn du entscheiden könntest – Wie könnte man Kaderathleten besser fördern?

Ich finde, die Förderung der Kaderathleten in Deutschland ist gut. Es gibt viele Förderstellen, da kann man sich das Passende heraussuchen.

Aline Focken hat in Tokio 2020 olympisches Gold im Ringen geholt. Was denkst du über Frauenringen?

Ich muss zugeben, die Frauen trainieren meiner Meinung nach härter als die Männer. Das kann man auch über die Sozialen Medienseiten gut verfolgen. In Tokio waren deutsche Athletinnen auch erfolgreicher als Männer. Aber ich unterscheide da nicht zwischen Männer- oder Frauenringen. Alle – ob Junge oder Mädchen – sollten ringen. Das ist ein toller Sport, der einem in der körperlichen und persönlichen Entwicklung einfach guttut. Du musst springen, werfen, Salto’s machen. Du wirst so häufig mit deinen Ängsten konfrontiert, dass dich das einfach fürs Leben stärkt. Für mich persönlich bedeutet das, ich lasse mich von Verletzungen, Niederlagen oder Absagen nicht herunterziehen. Ich habe schon einiges erlebt, dass eine negative Situation nicht dazu führt, dass ich anfange alles in meinem Leben zu hinterfragen.

Wir wollen dich besser kennenlernen: Woher kommt dein Spitzname „Sascha“?

Das ist eigentlich kein Spitzname. Wir sind ja gebürtig aus Russland und da gibt es nicht nur einen Namen wie in Deutschland, wo man sich entscheiden muss. In Russland ist das ganz normal das man zusätzliche Namen verwendet, wenn man sich länger kennt

Was sind die 3 wichtigsten Dinge im Leben für dich und auf was kannst du gar nicht verzichten?

Das Wichtigste für mich ist meine Familie, ohne die ich nicht der Mensch wäre, der ich jetzt bin. Zu meiner Familie gehören für mich auch meine engsten Freunde. Wichtig ist es auch, einen Mentor zu haben, einen Trainer, der dich wie eine Vaterfigur unterstützt und dich begleitet. Der einfach da ist für dich und dir bei Lebensfragen, die dich umtreiben mit Rat und Tat zur Seite steht. Und zuletzt, sind mir Herausforderungen sehr wichtig. Wer sich keine Ziele setzt, bleibt einfach stehen.

Verrätst du uns deine Lieblingsserie?

Da gibt es mehrere: Prison Break, Haus des Geldes und Black List

Bitte beende den Satz: Ein Leben ohne Instagram ist…

(Lacht) kann man machen, muss man aber nicht. Wenn ich meine Familie um mich habe oder die richtigen Freunde, dann muss Instagram hintenanstehen. Ansonsten ist es ein schöner Zeitvertreib.

Seit dieser Saison ringst du für den ASV Mainz 88. Wie ist das als Einzelringer im Mannschaftsringen?

Als Einzelkämpfer musst du in einer Mannschaft umdenken. Auf einem Turnier ringt man als Einzelner nur um den Sieg. Da ist auch ein knapper Sieg ausreichend um in die nächste Runde zu ziehen. Im Mannschaftssport reicht das manchmal nicht aus und du musst versuchen einen höheren Punktsieg zu erringen. Das ist oft schwer, weil man vorher eine stundenlange Anreise hatte oder viel Gewicht gemacht hat und körperlich geschwächt ist. Aber in einer Mannschaft, die man monatelang begleitet, Zeit mit Menschen verbringt, die schon Jahre im Verein sind, da gehört man schon irgendwie zur Familie. Man gewinnt und verliert, lacht, feiert oder leidet zusammen. Das prägt. Da muss man manchmal aus seiner Komfortzone heraus und sich wirklich alles abverlangen um ein besseres Ergebnis zu holen.

Du warst schon in einigen Vereinen, was verbindet bzw. unterscheidet die Vereine?

Ich bin bisher zu Vereinen gewechselt, die das Ziel hatten oben mitzumischen, weil das auch der Anspruch an mich selbst ist. Ich will mich immer mit den Besten in der Bundesliga messen. Mit dem ASV Nendingen bin ich zweimal Deutscher Mannschaftsmeister geworden und mit dem TUS Adelhausen haben wir das Halbfinale 2018 erreicht. Der größte Vereinserfolg bisher für die TUS. Nach Mainz bin ich gewechselt, weil ich mir, wie schon erwähnt, eine neue Herausforderung gesucht habe. Ich will noch mal angreifen und deshalb bin ich zum ASV, die mich im Übrigen schon seit Jahren verpflichten wollten. Ich hatte bisher aufgrund der großen Entfernung von meinem Wohnort nach Mainz gezögert, aber meine Vorstellungen haben sich bestätigt und es gefällt mir hier sehr gut. Es passt alles und ich kann sagen, ich freue mich auf die nächsten Jahre hier.

In der Rückrunde, wo du in deiner angestammten Gewichtsklasse (71kg) antrittst, bist du bisher ungeschlagen. Wie zufrieden bist du mit dir?

Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Es ist so gekommen wie ich es erhofft habe.

Im Achtelfinale trifft der ASV auf die Grizzly’s, wie stehen die Chancen aufs Weiterkommen?
Oh, das sind immer so Fragen. Wenn ich Trainer wäre, könnte ich leichter darauf antworten. Ich weiß leider nicht wer uns zur Verfügung steht und wer aufgestellt wird. Der Coach entscheidet das immer kurz vor knapp – bevor wir auf die Waage gehen. Aber wenn wir mit der gleichen Konstellation wie zuletzt antreten und es so läuft wie in den vergangenen Wochen, dann sollten wir weiterkommen. Auch wenn wir die Nürnberger sicher nicht unterschätzen.

Danke Sascha

Interview von Karani Kutlu